Süddeutsche Zeitung
SZ-Management
Wahn – Witz – Werbung
Von Dagmar Deckstein
Das Erregungspotenzial ist hoch, das die geplanten Werbeverbote der
EU-Kommission in sich tragen. Produzenten von Lebensmitteln und
Zigaretten sowie die ihnen zu Diensten stehende Werbelobby
empören sich über das angedrohte Aus für die Tabakwerbung und das
anstehende Verbot für jene Werbeversprechen, die Jugend, Gesundheit
und Wohlbefinden beim Genuss bestimmter Produkte der
Nahrungsmittelindustrie verhießen.
Aufregenswert finden wir aber etwas ganz anderes, nämlich das Buch vom
Werbepraktiker Kay Tangermann, („Werbung – Der Milliarden-Poker“; soeben
bei Knaur erschienen), in dem der Kommunikationsfachmann und Chef einer
Werbeagentur über seinen eigenen Berufsstand gnadenlos zu Gericht sitzt.
Es ist einerseits Labsal für die beleidigten Gemüter der Adressaten
jener nonsensgeschwängerten, nervtötenden Werbebombardements, deren
Botschaften sich beim besten Willen nicht erschließen wollen. Und es
ist zugleich Managementlektüre im besten Sinne, auch wenn es sich nicht
zu diesem Genre zählt.
Aber es müsste eigentlich Legionen von Unternehmenschefs und
Werbeabteilungsleiter brennend interessieren, für welche fragwürdigen
Produkte der von ihnen engagierten Werbeagenturen sie Jahr um Jahr
Milliarden zum Fenster hinauswerfen, ohne sich auch nur einen Deut um
Wirkung und Effizienz zu kümmern.
Auf Nachfrage hörte Autor Kay Tangermann immer wieder die
achselzuckende Bemerkung aus den Chefetagen, den Erfolg der hauseigenen
Werbung könne man erstens nicht kontrollieren und zweitens handele es
sich ja „nur“ um Image-Kampagnen.
Das sind resignative Haltungen getreu der uralten Werber-Weisheit, dass
man zwar genau weiß, dass gerade mal die Hälfte der Werbeausgaben auf
fruchtbaren Boden fällt, dass man aber nicht weiß, welche Hälfte.
Aber diese Haltung kann schon deswegen nicht weiter verwundern, weil es
sich bei den meisten Entscheidern über Werbeetats um Ingenieure,
Betriebswirte, Juristen oder sonstige Absolventen inzwischen
menschenfern gewordener Wissenschaften handelt. Tangermanns Verdienst
ist es, den Nabelschaucharakter und die Clownerien seiner Branche zu
benennen und die Hintergründe aufzudecken:
Unwissenheit, Unerfahrenheit, liebloser Umgang mit der deutschen
Sprache, Unkenntnis über die Wirkungen von Farbgebung, Typographie und
vor allem die Zusammenhänge der Psychologie. Eine unheilvolle Melange
aus Jugendwahn und Ignoranz gebiert dann Narreteien wie:
„Kommunikation ist unsere Stärke“, „Kompetenz hat immer Konjunktur“,
„Damit Kompatibilität bei Ihnen die erste Geige spielt“. Oder – noch
verbreiteter – das gaga-germanische Pseudo-Englisch: „Come in and find
out“, „Connecting people“, „Free your hands“. Ganz zu schweigen von den
Inbildsetzungen der Werbebotschaften, in denen oft der Wald vor lauter
Bäumen nicht mehr sichtbar wird, wie etwa in jener: Ein Plakat zeigt
eine schwarz behaarte Männerbrust mit der Unterschrift: „Willkommen als
Urlauber im Schwarzwald.“
Uns für dumm verkaufende Rezipienten von Werbefloskeleien aus
dilettierenden Kreativwerkstätten kann es ganz recht sein, wenn Verbote
die Flut solch unprofessioneller Anschläge auf unseren Verstand
eindämmen. Auch wenn der Marktwirtschaftler solchen Interventionismus
zu Recht verdammt.
Was aber, wenn ein Markt wie der der Werbung monopolisiert wird von
einem Kartell des Jugendwahns, dessen stillschweigende Übereinkunft aus
den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammt: Trau keinem über
30! Angeblich zeitgeistbeseelte „wilde und geniale“ Mittzwanziger
stellen den Kreativarbeiteradel dieser Branche, deren Kompetenzschwäche
Tangermann auf diese Lebenslüge zusammenschnurren lässt: Sie gehe nach
wie vor davon aus, dass „mangelnde Lebens- und Berufserfahrung
hinreichende oder sogar ideale Voraussetzungen für die erfolgreiche
Ausübung des Werbeberufs darstellten“.
Ach ja, dieser grundlegende Irrtum beherrscht ja nicht allein die
Werbebranche, aber nirgendwo werden die traurigen Ergebnisse
jugendlich-unprofessioneller Experimentierfreude so sinnfällig für ein
Millionenpublikum erlebbar. Bleibt nur noch mit dieser werberischen
Plattitüde anzumerken: „Erfolg kommt nicht von ungefähr.“
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Werben & Verkaufen
Wie kleine Lämmer
Beim Poker um die Werbe-Milliarden wird viel zu viel Geld aus dem
Fenster geworfen. Agenturinhaber Kay Tangermann ist dagegen und
fordert: Zurück zur Information.
Von Roland Gerber
Doppelpack: Zwei Titel, aber ein Inhalt. Und der hat es in sich.
Anamnese heißt sein Zauberwort. Was für Mediziner die Vorge-schichte
einer Krankheit ist, nennt Kay Tangermann „die Mutter des Erfolgs“.
„Was ist denn das Besondere, vielleicht sogar das Einzigartige, also
das berühmte „Schmankerl“ Ihres Unternehmens und Ihrer Markenartikel
oder Dienstleistungen“, fragt der Werber aus Hamburg und München seine
neuen Kunden immer zuallererst. Auf der anderen Seite dann meist:
Nachdenken über das nicht Nachgedachte.
Der Autor, der mit freundlichem Pokerface gern, viel und passend
zitiert, nutzt hier eine Rezension aus der FAZ zu dem Film „Amores
perros“: „Wenn wir die Augen öffnen, hat sich die Welt verändert.“
Genau das meint er, sei „das ideale Konzept für eine Werbekampagne“.
Dann springen einem die richtigen Ideen wie kleine Lämmer entgegen“.
Wenn Werbeleiter in Unternehmen über Image schwiemeln, spricht Werber
Tangermann von Erfolgskontrolle, am besten einmal die Woche, oder
mindestens einmal im Monat. Und schimpft wie ein Rohrspatz über Firmen,
die nicht einmal eine Adresse, eine Internet-Adresse oder eine
Telefonnummer in ihre Anzeigen aufnehmen: „Weil sie zu faul sind, die
Telefonate zu beantworten. Oder weil sie Angst haben, es würden zu
wenige anrufen, oder gar zu viele.“
Nur: „Es ist niemals das Ziel einer Werbekampagne, Aufmerk-samkeit zu
erreichen. Es ist immer nur das Ziel, zu verkaufen.“ Treffendes
Beispiel aus den USA: Falsch sei es, in einer Anzeige einen Mann auf
den Kopf zu stellen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Man liege aber
richtig, wenn man ihn auf den Kopf stelle, um zu zeigen, wie das eigene
Produkt verhindere, dass ihm seine Sachen aus den Taschen fallen. Dann
stehe er mit gutem Grund auf dem Kopf.
Tangermann propagiert den Pre-Test und den Post-Test, vor allem aber
laufende Tests während der Kampagne. Erfolgskontrolle also, oder ein
Lob dem Effie. Den nennt Kritker Tangermann den einzigen Preis, der als
„Indikator und Beweis des Werbeerfolgs gelten kann“. Und führt damit
ganz sacht, nicht ohne Koketterie, auf eine eigene Kampagne zum Thema
Altenpflege hin.
Dauerthema Pflegenotstand. Hamburg: In den 13 staatlichen
Altenpflegeheimen fehlten über 100 Pfleger(innen). Die Agentur
Tangermann sprach „nach einer präzisen Anamnese“ Kräfte aus anderen
Berufsumfeldern an. Die Anzeigen erschienen ein einziges Mal in den
Zeitungen der Hansestadt. Auf Anhieb meldeten sich 1100 Frauen und
Männer.
München: Dasselbe Problem. Dasselbe Procedere. Über 2000
Bewerber(innen) diesmal. Belohnung: Silber beim Effie. Für den
geneigten Leser, damit er sich selbst überzeugen kann, sind die
Anzeigen zum Text abgebildet.
Erfahrungen eines erfahrenen Werbers. Der auch Ideen schöpft aus einer
Sammlung alter Werbung, die bis ins Jahr 1850 zurückreicht. Für den
Werben schönes, klares Handwerk ist. Und der die heutige Spezies der
Mittzwanziger in den Agenturen äußerst kritisch betrachtet. Die Leute,
die „glauben ohne jeglichen Selbst-zweifel zu wissen, wie die Werbung
heute zu sein habe: „jung und sexy“.
Altmeister Tangermann zeiht auch die Produktmanager der Unwissenheit
und fordert: „Zurück zu sachlicherer Werbung, zur informativen
Werbung:" Wie? „Indem man die Leute besser ausbildet." Und der dieses
Buch auch deshalb geschrieben hat, „damit sich viele Werbeleiter
ertappt fühlen".
Bevor Tangermanns Buch erschien, hat er (wiederum junge) Typographen
bei deren Ideenlosigkeit bei der Entwicklung des Buchumschlags ertappt.
Und weil der Autor seine ganz eigenen Vorstellungen davon hatte, wie
sein Buch daherkommen sollte, gibt es jetzt zwei Versionen: Die farbige
mit dem Clown Grimaldi von Nicholas Monro erhalten die Geschäftsfreunde
der Agentur, die graue ist für die anderen.
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Südkurier
Schlagwortkünstler Kay Tangermann
bringt Fehler der Werbeschaffenden auf den Punkt
Mit großem Sprachwitz hält Kay Tangermann – einer der erfahrensten
Werber der Republik – der Werbebranche schonungslos den Spiegel vor das
Gesicht. In seinem Buch deckt Tangermann viele fatale Denk- und
Formulierungsfehler der Werbung auf, die Jahr für Jahr
Milliardenbeträge praktisch ohne Wirkung pulverisieren. Fundierte
Theorie wechselt sich darin ab mit ebenso zahlreichen wie anschaulichen
Beispielen aus der täglichen Praxis der Werbewelt. Tangermann versteht
es dabei nicht ganz zufällig, auch sachliche Informationen erfrischend
unterhaltsam zum Leser zu transportieren.
Und wenn dann die Rede ist von abgeweideten Schlagwort-Wiesen oder
Werbebriefen, deren Leben im Papierkorb der Sekretärin ausgehauchen,
zeigt sich zuweilen auch seine Lust und sein Können an der bildhaften
Werbesprache. Dieses Buch ist für alle ein ausgesprochenes
Lesevergnügen, die Spaß am geschriebenen Wort haben.
Eine Art Gebrauchsanweisung für jene, deren Handwerk die Sprache ist.
Und nicht nur Werbeleuten, auch Journalisten gibt dieses Werk viel
Nützliches über die Kunst der Formulierung mit auf den Weg.
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Wilhelmshavener Zeitung
Hochgradig unterhaltsam ist das Buch von Kay Tangermann „Werbung der
Milliarden-Poker“. Tangermann selbst Agentur-Chef, fühlt den
Milliarden-Vernichtern schonungslos auf den Zahn. So manche
reativ-Schmiede schrumpft da auf Bonsai-Maß und Otto von Bismarck lässt
schön grüßen: „Nur ein Idiot glaubt, aus den eigenen Erfahrungen zu
lernen. Ich ziehe es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von
vornherein eigene Fehler
zu vermeiden.“
Von solchen Weisheiten ist das Buch voll, egal, ob von anderen, oder
vom Chef persönlich: „Wer meint, es reiche, eine Anzeige im richtigen
Medium zu schalten, und dann werde schon alles gut gehen, handelt wie
ein Mitglied der Zeugen Jehovas, der in anrührender Naivität seinen
Wachturm hochhält. Der liebe Gott wird´s schon richten.“
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Werbewoche
Sprücheklopfer, Schnelldreher und Rosstäuscher
Zwei Berufsgruppen haben
schwarz zu ihrer Leibfarbe erklärt: die Bestattungsunternehmer und die
Werber. Dieser Vergleich, mit dem Kay Tangermanns Buch anhebt,
lässt ahnen, dass es der Kommunikationsprofi nicht nur gut meint mit
seinen Kollegen.
Natürlich muß erst mal der Begriff „kreativ“ dran glauben, der zum
Schlüsselwort geworden ist. Oder genauer: „Zum Füll-, Gummi-, Alibi-
und Verlegenheitswort, zum Schönheitspflästerchen und zur stets
präsenten Imponier-Vokabel“.
Werbung, die nicht verkauft, ist für den Autor schlicht schlechte
Werbung auch dann, wenn sie an Wettbewerben mit goldenen Löwen,
silbernen Adlern, bronzenen Hunden und eisernen Katzen überhäuft wird.
Der Selbstverwirklichungsdrang mancher Werber schrecke begabten
Nachwuchs in dem Maße ab, wie er „Überflieger, Schnelldreher,
Roßtäuscher und Blender anzieht, die unsere Arbeit, das Vertrauen der
Kunden und unser Image ruinieren“.
Der Branchenkenner berichtet, wie Agenturen Selbstausbeutung und damit
Preisdumping betreiben, um irgendwie an Kunden zu kommen. Er kritisiert
den Jugendwahn von Hip-Agenturen, die mit einem Altersdurchschnitt von
25 Jahren prahlen; dabei profitieren deren Inhaber doch nur von den
Hungerlöhnen und der Gefügigkeit ihrer postpubertären Mitarbeiter.
Und er wettert seitenlang gegen Werber, die sich immer noch gegen
Erfolgskontrollen wehren. „Eine Anzeige ohne Auditing ist kein
Instrument der Kommunikation, sondern bloß bedrucktes Zeitungspapier,
gerade gut genug, um morgen Fisch darin einzuwickeln“.
Wirklich witzig wird der Schmöker allerdings erst in der Abteilung
Realsatiren aus dem Agenturalltag. Da antwortet beispielsweise eine
Werbeleiterin auf die Frage, ob ihre mit Feedback-Bitte versehene
Panorama-Anzeige in der FAZ erfolgreich gewesen sei: „In den ersten
Tagen nach Erscheinen hatten wir einige Dutzend Anrufe. Das ist bei 1,2
Millionen Lesern zwar nicht sehr viel. Aber ich bin ja froh, daß es so
ruhig ist. Was glauben Sie, welchen Ärger ich sonst mit den Damen
unserer Telefonzentrale hätte“.
Mit ähnlich ätzender Ironie macht er sich im nächsten Kapitel über
peinliche Slogans à la „Create your success“, „Keep hot“ oder „See the
possibility“ her.
Solch unfreiwillige Sprachkomik hält Tangermann nicht davon ab, an
neuralgischen Stellen jeweils Freud, Goethe, Schopenhauer oder
Tucholsky zu zitieren. Damit outet er sich als Vertreter jener in
diesem Metier seltenen Spezies von Bildungsbürgern, die weiter an
Selbstaufklärung glauben. Diese ehrenwerte Mission mag etwas angegraut
erscheinen. Der Stoff, aus dem unser aller Albträume sind, wurde indes
so frisch, frech und fröhlich aufbereitet, dass die punktuell etwas
penetrante Pädagogik verkraftbar bleibt.
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